Oktober 2024: Musik überwindet Grenzen – Besuch unserer Freunde aus Portbail

Das diesjährige Highlight unserer Partnerschaft mit der französischen Gemeinde Portbail-sur-Mer bildete der Besuch unserer Freunde aus der Normandie in Wienhausen. Bekanntlich finden unsere gegenseitigen Besuche im jährlichen Wechsel statt, so hatten wir in diesem Jahr 64 Mitglieder der Portbailer Amicale vom 19. bis 23. Oktober in und um Wienhausen zu Gast. In der französischen Reisegruppe befanden sich auch 15 Mitglieder der Bigband Réveil de Portbail, die das Austauschprogramm mit dem gemeinsamen Musizieren mit unserer Feuerwehrkapelle Oppershausen (FWKO) bereicherten.
 
Der vollbesetzte Doppeldeckerbus traf nach einer langen Nachtfahrt am Samstag, dem 19. Oktober, um die Mittagszeit am Wienhäuser Rathaus ein. Unsere französischen Freunde stiegen – trotz der Übernächtigung – in bester Laune und froher Erwartungshaltung auf das Wiedersehen aus dem Bus und wurden herzlich durch die Wartenden begrüßt.
Die Reisegruppe wurde seitens der Portbailer Gemeindeverwaltung von der dortigen Bürgermeisterin Frédérique Boury sowie dem Leiter des Portbailer Komitees (und früheren Bürgermeister der Gemeinde) Guy Cholot begleitet. Im Foyer unseres Rathauses hießen die Wienhäuser Bürgermeisterin Kerstin Ackermann und Manfred Schlote als 1. Vorsitzender des Freundschaftskreises Wienhausen-Portbail die französischen Gäste herzlich willkommen. Die offiziellen Übersetzerinnen beider Gemeinden, auf französischer Seite die pensionierte Deutschlehrerin Monique Chapelon und auf deutscher Seite die Französischlehrerin Kristin Frese, unterstützten sie dabei und gaben die Aufteilung der französischen Gäste auf die Wienhäuser Gastfamilien bekannt, die nach einem gemeinsamen Willkommensgetränk mit ihren Gästen nach Hause fuhren. Dort fand das erste gemeinsame Mittagessen und – für die zum ersten Mal an dieser Reise Teilnehmenden – das erste gegenseitige Kennenlernen statt. Wie üblich am Ankunftstag, wurde auch der Nachmittag von den Gastfamilien mit Programm gestaltet.

Traditionell empfängt die Verwaltung der Klostergemeinde Wienhausen am Abend des ersten Tages die französischen und deutschen Austauschteilnehmer zum offiziellen Empfang. Frau Bürgermeisterin Ackermann hatte in den Wienhäuser Mühlengrund eingeladen, wo im festlich geschmückten Saal ein hervorragendes Buffet bereit stand.
Die Bürgermeisterinnen Ackermann und Boury sowie die 1. Vorsitzenden beider Komitees Manfred Schlote und Guy Cholot luden in ihren Ansprachen alle Anwesenden dazu ein, sich immer wieder die Bedeutsamkeit städtepartnerschaftlicher Freundschaften zum Zwecke der Völkerverständigung bewusst werden zu lassen. Der Abend verdankte sein ganz besonderes Flair der Musik des Réveil de Portbail. Anfangs wurden die jeweilige Länderhymne sowie die Europahymne gespielt. Im Laufe des Abends bot das Orchester dann ein buntes Potpourri seines Könnens dar. Unterstützt wurden die Portbailer dabei durch den Schlagzeuger der FWKO Malte Kuhlmann, der innerhalb kürzester Vorbereitungszeit in der Lage war, die Portbailer Band musikalisch zu begleiten. Wer nun denkt, die Franzosen müssten ob ihrer langen Anreise über Nacht für ein Konzert doch viel zu müde gewesen sein, der kennt die Franzosen nicht ...!!!

Der Sonntag bot die Möglichkeit zum Ausschlafen, denn das Programm begann erst um 10.00 Uhr mit einem Besuch des Gottesdienstes in der St. Marienkirche zu Wienhausen. Direkt im Anschluss daran lernten unsere französischen Gäste das Kloster Wienhausen kennen. Der Freundschaftskreis Wienhausen-Portbail hatte für die Franzosen eine interessante Führung durch das ehemalige aus dem 13. Jahrhundert stammende Zisterzienserinnenkloster, das heute ein evangelisches Frauenkloster ist, organisiert.

Parallel fand im nahegelegenen Vereinsheim des Schießsportvereins Wienhausen unter der Leitung von Komitee- und Vereinsmitglied Malte Seils der traditionelle Schießwettbewerb statt, der ein MUSS bei jedem Besuch der Portbailer in Wienhausen darstellt. Teilgenommen haben daran 19 Personen auf Seiten der deutschen Gastfamilien und 47 Französinnen und Franzosen. Unter den Gewinnern befanden sich auf deutscher Seite 1. Marlis Cammann, 2. Friedel Meyer und 3. Lisa Trümper. Den ersten Platz unter den Franzosen erreichte Sébastien Langlois, gefolgt von der jüngsten Teilnehmerin Candice Lelyon auf dem zweiten und Alain Lemarchand auf dem dritten Platz.
Während der Veranstaltung wurde mit deutscher Bratwurst und leckeren Steaks auch für das leibliche Wohl gesorgt. An dieser Stelle sei den „Hauptgrillmeistern“ Werner Kabeck und Willi Luttermann sowie dem Thekenteam des Schießsportvereins ganz herzlich für ihre gastronomische Begleitung gedankt! Auch die Jugendfeuerwehr Wienhausens hatte mit dem Aufbau eines großen Zeltes inklusive Bestuhlung vor dem Schießheim für einen entspannten Ablauf des Barbecues gesorgt – es mussten immerhin rund 120 Personen verköstigt werden. Seitens der Gastfamilien wurde zum Grillgut ein üppiges Salatbuffet gestiftet, das sicherlich für jede und jeden etwas Passendes darbot.

Gegen 16.00 Uhr begaben sich die deutschen und die französischen Komiteemitglieder zum Wienhäuser Friedhof, um dort am Gefallenendenkmal der Opfer des Zweiten Weltkrieges zu gedenken. Wienhausens Pastor Dr. Christian Rebert und der Portbailer Komiteevorsitzende Guy Cholot hielten bewegende Reden, in denen sie an die schreckliche Kriegsführung beider Nationen gegeneinander erinnerten und dazu mahnten, die dann entstandene Versöhnung und Freundschaft unserer Länder zu bewahren. Es schloss sich eine Schweigeminute an. Im Anschluss an die Gedenkzeremonie fanden sich alle Teilnehmenden und viele weitere Gäste zu einem gemeinsamen Konzert der deutschen und der französischen Musiker im Saal der Freien evangelischen Gemeinde (FeG) ein. Ermöglicht hat uns diese Veranstaltung der Pastor der FeG Kilian von Bibra. Wir hätten uns, sowohl was die Akustik im Gemeindesaal als auch die räumliche Ausstattung, die immerhin für die rund 140 Gäste perfekt funktionierte, keinen besseren Ort für dieses Konzert vorstellen können.

Beide Musikgruppen gaben für zweieinhalb Stunden unter der musikalischen Leitung von Ralf Hollenbach (Oppershausen) und Élise Lelyon (Portbail) ein Konzert, das an musikalischer Bandbreite keine Wünsche offen ließ. Ergänzt wurde das musikalische Angebot noch von der Chorgemeinschaft Wienhausen-Eicklingen, die leidenschaftlich einige altbekannte deutsche Volksweisen präsentierte.
Entsprechend fielen auch der Beifall der Besucher und die Länge der Zugaben-Phase aus. Nach diesem mit üppigem Programm gefüllten Tag freuten sich alle auf einen heimeligen Abend in den Gastfamilien, die deutsche Hausmannskost vorbereitet hatten.

Bereits um 8.00 Uhr ging es am Montagmorgen vom Rathaus aus mit dem Bus der Portbailer in das 100 km entfernte Goslar. Die Franzosen hatten im Rahmen der Vorbereitung ihrer Reise dort eine zweistündige französischsprachige Stadtführung gebucht. Diese wurde von zwei Gästeführern durchgeführt, die aufgrund ihrer französischen Muttersprache und ihrer offensichtlichen Begeisterung für die Geschichte der Stadt Goslar ein sehr anschauliches und auch für die Jüngsten unter den Teilnehmern spannendes Programm boten. Obwohl das bekannteste Wahrzeichen Goslars, die Kaiserpfalz am Fuße des Rammelbergs, für Besucher montags nicht zugänglich ist, gab es für uns in der Stadt genug Interessantes zu entdecken.
Gemeinsam mit der historischen Altstadt und dem im Jahre 1988 stillgelegten Erzbergwerk Rammelsberg gehört die Kaiserpfalz seit den Neunzigerjahren zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die Stadtführer zeigten uns nebst dem historischen Rathaus die Kaiserworth und führten uns zur Alten Kämmerei am Marktbrunnen. Dort trafen wir „zufällig“ zu 12.00 Uhr am Mittag ein, pünktlich um das Glockenspiel mit Figurenumlauf anschauen zu können. Die Figuren zeigen Szenen aus dem Bergwerk – von der Gründung bis zum Abbau im letzten Jahrhundert. Weiter ging es durch die Peterstraße vorbei an vielen Bergarbeiter-Fachwerkhäuschen und dem Stammsitz der Industriellenfamilie Siemens aus dem Jahre 1693. Die Schilderungen entlang der Wasserläufe in der Stadt in Zusammenhang mit den Flüssen Abzucht und Gose und dem Bergbaubetrieb gaben aufschlussreiche Infos zur Entwicklung der Stadt Goslar. Übrigens, der Name „Goslar“ steht in engem Zusammenhang mit dem Fluss Gose. Was lag also näher, als nach diesem langen Fußmarsch im Brauhaus Goslar ganz nach persönlichem Gusto ein Gläschen helle oder dunkle Gose zu probieren?! Gut gelaunt machten wir uns am späten Nachmittag auf die Rückfahrt nach Wienhausen, wo die Gastfamilien wieder zu lecker Speis und Trank eingeladen hatten.

Am Dienstag konnten wir uns ebenso auf eine Exkursion freuen. Ideengeber dafür war unser Komiteemitglied Malte Seils. Malte ist Präsident der Augustus-Gesellschaft e.V. Dieser Verein hat sich gegründet, nachdem in 2015 in Wilkenburg bei Hannover-Hemmingen ein historisches römisches Marschlager entdeckt wurde. Es ist 2.000 Jahre alt und geht auf die römischen Feldzüge („bellum immensum“ – 1 bis 5 n. Chr.) zurück. Das ca. 40 Hektar große Lager wurde nur zufällig auf Luftbildern entdeckt. Es ist das einzige bekannte Marschlager nördlich des Limes, das nicht überbaut ist und steht unter höchstem Denkmalschutz – Grund genug, sich dieses interessante Fleckchen Erde einmal genauer anzuschauen.
Wir erhielten vom Vizepräsidenten des Vereins Dr. Dr. Ulrich Schubert aus Celle einen geschichtlichen Vortrag über das Leben und Wirken des ersten römischen Kaisers Augustus. Die typische Kleidung der Römer sowie deren Soldatenausstattung brachte uns Malte Seils anschaulich näher. Er bekleidete sich mit Toga, Kettenhemd und Ledersandalen und legte Dolch bzw. Schwert an. Der typische römische Legionärshelm durfte nicht fehlen. Diesen konnten wir nicht nur an Malte, sondern auch an einem unserer französischen Freunde bewundern: an Alain Lemarchand. Malte hatte auch eigens für unseren Besuch köstliche altrömische Spezialitäten vorbereitet, die zur „dégustation“ bereitstanden. Alle Teilnehmenden kosteten antikes Brot, Lukanische Würstchen, Datteln im Schinkenmantel, die würzige Käsepaste Moretum und den antiken Gewürzwein Mulsum.

Anschließend fuhren wir in Richtung Hannovers Innenstadt. Geeigneter Parkraum fand sich am Neuen Rathaus von Hannover, das bei bestem Wetter nicht nur zum Spaziergang im Außengelände einlud, sondern auch die perfekte Verbindung zur Altstadt darstellte, die zu Fuß gut zu schaffen war. Es bildeten sich Grüppchen, die je nach Interessenslage kulinarische Angebote ansteuerten oder sich einem ausgedehnten Einkaufsbummel hingaben. Um 16.30 Uhr fanden sich alle wieder im Bus ein. Und wieder kam uns Komiteemitgliedern der Gedanke: „Sie müssten doch wahnsinnig müde sein!“

Abermals ganz weit gefehlt: Die Musiker des Réveil de Portbail begannen auf der Rückfahrt im Bus zu unserer Überraschung plötzlich, ein Lied zu komponieren. Nach der Melodie des Titels „À nos souvenirs“ der französischen Musikgruppe Trois cafés gourmands dichteten sie eine Dankeshymne an die deutschen Austauschteilnehmer, die mich (als Berichterstatterin) nahezu zu Tränen rührte. Dargeboten wurde sie von den Franzosen am Abend anlässlich der Abschiedsveranstaltung zum diesjährigen Austausch. Dazu fanden wir uns um 19.00 Uhr im Vereinsgemeinschaftshaus Oppershausen ein. Dort wartete bereits das leckere Essen eines Oppershäuser Gastwirtes auf uns.
Während des Austausches hatte sich zwischen den Portbailer und Oppershäuser Musikern eine Verbindung gebildet, die sich in ihrer vollen Ausdehnung erst an diesem Abend offenbarte. Man musizierte gemeinsam und stahl dem eigentlichen Programm – Musik und Tanz mit Discjockey Thomas Stumpf – fast die Show. Wir durften so viel Verbundenheit beider Nationen spüren!
Die Vorsitzenden des französischen und deutschen Komitees sprachen in anschließenden Schlussworten zur diesjährigen Begegnung dankbare und einander wertschätzende Worte aus.

Früh am Mittwochmorgen, dem 23. Oktober, fanden wir uns zur Verabschiedung unserer französischen Freunde am Wienhäuser Rathaus ein. Ein letztes „Au revoir, mes amis! – À l’année prochaine!“ – und schon sie waren auf dem Rückweg in ihre schöne normannische Heimat – auf die wir uns für 2025 schon so sehr freuen!

(Andrea Rode)